Unfassbar, vielleicht muss ich mein Urteil von letztens betreffend langer Läufe doch revidieren. Denn ich habe meinen ersten 35km-Lauf im Rahmen der Marathon-Vorbereitung absolviert. Doch warum hat es funktioniert, noch dazu relativ leicht?!
„Moment!“ wird vielleicht jemand sagen, „du bist bereits seit 2 Jahren im Greif-Club und hast da auch schon einen Marathon gemacht und dabei keinen 35er durchgezogen?“
Ja, ist leider so. Anfang 2014 in der Vorbereitung auf den VCM hatte ich zwar lange Läufe sogar auch mit Endbeschleunigung, aber die waren maximal 33,75km lang. Mehr konnte ich damals nicht zusammenbringen.
Diese Saison hatte ich immerschon mal ein paar Longjogs knapp über 30km – diese aber auch immer mit Hängen und Würgen.
Und auch dieses Mal war ich nicht sicher ob er gelingen würde. Aber ich wollte es und habe mich dabei allerlei psychologischer, physischer und sonstiger Hilfen bedient die mir nur eingefallen sind:
Zeitpunkt
Sonntag vormittag geht es bei mir am besten. Ausschlafen (bis ca. 8 Uhr), frühstücken und ab gehts. Dh ich bin ausgeruht – vor allem da am Samstag seit ein paar Monaten immer mein wöchentlicher Ruhetag ist – und noch dazu gesättigt.
Außerdem habe ich hinten hinaus keinen Zeitdruck dass ich irgendwann bestimmt wieder daheim sein muss. Danke an die Familie!
Wetter
Beim Weglaufen hatte es noch knapp unter 0°C bei etwas Nebel. Es wirkte aber bereits so als ob der Nebel bald aufgehen würde und somit auch die Temperaturen steigen könnten. Das taten sie dann auch auf bis zu 5° und die Sonne kam wirklich heraus. Ideal.
Ausrüstung
Die Kleidung ist egal, hier habe ich keine besonderen Vorlieben. Bei den Schuhen ging ich ein klitzekleines Risiko ein, da ich die relativ neuen Ravenna 6 nach erst einem 7km-Regenerationslauf spazieren führte. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Vorgänger haben mir ausgereicht und auch recht gegeben.
Verpflegung
Entgegen den bisheren Versuchen diese Saison hatte ich bewusst 2 dünnflüssige High 5-Gels mitgenommen um sie vorbeugend einzunehmen. Das ist zwar nicht ideal hinsichtlich dem Fettstoffwechsel-Training, aber immerhin geht es ja auch erst mal darum die Distanz in den Griff zu bekommen.
Das erste wollte ich geplant – und nicht erst bei Hungertendenzen – irgendwo so um die Hälfte einwerfen (genau war es dann nach der Halbmarathon-Marke) und das 2. je nach Bedarf danach (das kam dann nach 28km).
Routenauswahl
Diesmal gibts keine Ausreden und Abkürzungen: ich fixiere mich schon vor dem Weglaufen auf eine bestimmte Runde und diese ziehe ich durch. Dabei komme ich soweit von daheim weg, dass mir gar nicht viel anderes übrig bleibt als den Lauf zu vollenden um auf die vollen 35km zu kommen. Dabei hilft auch, dass im Grunde nach dem Halbmarathon alle schmerzenden Höhenmeter erledigt sind und es großteils nur mehr flach bis leicht bergab geht.
Vorsatz
Meistens schwäche ich schon nach den ersten Kilometern ab und nehme mir „zumindest 30km“ vor. Das zieht sich dann auch durch die verschiedenen Distanzen: nach 3km („super, erste 10% erledigt“) oder auch 15km („yeah, die Hälfte“). Diesmal gibt es nur 35, nichts darunter.
Mantra
Zum vorigen Punkt korrespondierend gabs ab dem Halbmarathon ein entsprechendes Mantra im Kopf („nur mehr 14 Kilometer, das renne ich ja locker im sonstigen Training“), aber 25km dann mit der Melodie eines Kinderlieds, das meine Kids in letzter Zeit öfters gehört haben: „nur mehr 10 Kilometer“, „nur mehr 9 Kilometer“,… „der letzte Kilometer“. Das lief im Kopf in der Endlosschleife, war aber erstaunlich wenig nervig.
Vorstellungskraft
Doch all das hätte nichts geholfen, wenn ich mir nicht schon beim Weglaufen vorgestellt hätte wie ich nach 35km freudestrahlend und leichtfüssig dahintrippelnd wieder zu Hause ankomme. Das hat eindeutig am meisten geholfen. Das war jedenfalls ganz anders als sonst wo ich schon beim Weglaufen „wusste“, dass ich müde und schleppend daheim über die Türschwelle krieche – eine klassische self-fulfilling-prophecy.
Lange zu Laufen dürfte also doch viel Kopfsache sein.
„Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.“
(Francis Picabia)
Die Denkrichtung hinsichtlich langer Läufe hat sich bei mir nun etwas geändert. Deswegen habe ich noch immer keinen Ultra auf meiner ToDo-Liste, aber bin schon gespannt wie sich die Longjogs für den Marathon entwickeln werden…