Yes, I did it. Mein erster Marathon ist vollbracht – inkl. aller Höhen und Tiefen vorher und auch nachher die so vorkommen können. Doch „42km sind 42km“ (© TriathlonDog)…
München, 13.10. 2013 wird ab nun immer einen gewissen Platz in meinem Herzen einnehmen auch wenn dabei vieles ganz anders gekommen ist.
Nach einer unruhigen Nacht in meinem gebuchten Mikro-Zimmer wo außer dem Bett nicht viel Platz rundherum ist sowie das Bad/WC am Gang erfolgt zunächst alles plangemäss – alles wieder eingepackt, Frühstück wo ich neben meinem obligaten Müsli gerade mal ein Semmerl runterbringe und Gepäck in ein Schließfach am Hauptbahnhof gebracht. Während der Fahrt mit der U-Bahn (die nahezu vor LäuferInnen überquillt) twittere ich noch auf Teufel komm raus um die doch leicht aufsteigende Nervosität zu kontrollieren. Nebenbei höre ich auch noch andere reden, die meinen am direktesten ist es wenn man am Olympia-Einkaufszentrum aussteigt und nicht in Gern wo ich gestern nach der Startnummernabholung und Besuch der Event-Messe eingestiegen bin. Na gut, die Locals sollten es ja wissen und so vertraue ich auch darauf und ignoriere die sich leerende U-Bahn und fahre auch noch weiter.
Doch ausgestiegen verflüchtigt sich die Sicherheit dieser Locals und die kommen ebenfalls drauf, dass sie sich vertan haben – gemeinsam mit ein paar weiteren Läufern im Schlepptau! Zur Sicherheit gehe ich wieder retour und fahre die paar Stationen zurück. Zeit ist zum Glück noch ausreichend vorhanden.
Beim Olympiastadion angekommen passt alles weitere – Kleiderbeutel abgeben, Banane essen, mit Elektrolyt-Getränk in der Hand schiebe ich mich mit der Masse zum Start, der ca. 2km entfernt ist. Noch 20 Minuten bis zum Start.
Die Überkleidung wird nun abgeworfen – zwar nicht wie vom Veranstalter vorgesehen in einen der Sammelcontainer (denn die sehe ich nirgends), sondern ich muss sie einfach liegenlassen. Mach ich zwar nur ungern – aber bleibt mir nichts anderes übrig.
Kaum habe ich mich im Block 2 eingereiht fällt auch bereits der Startschuss – allerdings nur für den 1. Block! 😉 Noch 1o Minuten.
Während ich in der Menge stehe genieße ich den sich aufklärenden blauen Himmel inkl. Sonnenschein und die Vorfreude dass endlich DAS Rennen ist bringt mich einfach nur zum Grinsen. Denn ich gehöre dazu. Ich bin auch einer von Tausenden, die sich der Herausforderung Marathon stellen und zig Trainingsstunden investiert haben. Ein geiles Gefühl.
Gerade sehe ich noch mit Erstaunen, dass ein Läufer vor mir five fingers an hat (während dem Marathon sehe ich auch mindestens 3 Barfussläufer!) da fällt auch schon „mein“ Startschuss. Jetzt geht es also los.
Ich komme gleich in einen guten Rhythmus und das Feld lichtet sich zum Glück schnell genug, dass man nicht so extrem aufpassen muss jemandem auf die Ferse zu treten. 3:45h ist ja das Ziel lt. Trainingsplan, das entspricht ca. 5:19min/km. Theoretisch müsste lt. meiner Halbmarathon-Zeit ja auch ca. 3:38h möglich sein, doch übertreiben will ich auch nicht.
Die ersten Kilometer gehen schnell vorbei – angetrieben von den diversen Bands am Straßenrand geht es schön im Zieltempo dahin, die Beine fühlen sich gut an. Na bitte – sollte also alles passen.
Bei km8 kommt dann das erste unerwartete Ärgernis – der rechte Beinansatz macht wieder Beschwerden! Deswegen musste ich ja vor 1 Woche den letzten Lauf abbrechen und humpelte den Rest des Tages. Hoffentlich wird das nicht wieder so arg, denn sonst müsste ich abbrechen!
Kurz vor km10 werfe ich dann das erste Gel ein – ebenso habe ich bei bisher jeder Verpflegungs- und Erfrischungsstation 2 Schluck Wasser genommen (und mache es auch weiterhin so). Sollte also passen.
Nach dem englischen Garten bei km15 haben sich zum Glück auch wieder die Schmerzen verflogen. Puh, Glück gehabt! Doch irgendwie geht es nicht ganz so leicht wie zu diesem Zeitpunkt sein sollte. Ich fühle mich wie wenn ich ein kleines Extra-Gewicht mitschleppe.
Bei km17 geht es dann richtig los – ich merke wie die Oberschenkel mehr und mehr „zu“ machen und nicht mehr so wirklich wollen. Doch es hilft nichts – sind ja noch 25km zu laufen!
Bei der Halbmarathon-Markierung (davor 2. Gel) bin ich mit 1:53:30 dann ca. 1 Minute über der geplanten Durchgangszeit – grundsätzlich voll ok, doch ich spüre wie sich die Beine nach und nach verabschieden. Das kann doch nicht sein! Ich bin ja langsamer als beim Kaiserlauf in Bad Ischl und dort war ich längst nicht so fertig wie jetzt, obwohl ich schneller gelaufen bin!
Beim Ostbahnhof (km 26) nehme ich unbewusst und automatisch Tempo raus und laufe mit ca. 6min/km weiter. Doch es will nicht mehr so wirklich weitergehen. 2km später höre ich plötzlich viel Schrittgetrappel und der 4:00h Pacemaker zieht mit einer Gruppe von ca. 40-50 Läufern vorbei und ich merke ich habe nicht den Funken einer Chance da mitzugehen. So schnell wie sie gekommen sind sind sie auch wieder außer Sichtweite. Immerhin kann ich bei einer Verpflegungsstation das bereitgestellte Gel einnehmen – ist zwar nicht geplant, aber jetzt wird es auch schon langsam egal. Ich brauche Energie!
Ich werde langsamer und langsamer – die Beine streiken. Und kurz vor km29 ist es dann soweit – ich gehe! Der Mann mit dem Hammer hat mich erwischt. Viel zu früh. Doch es hilft mir nichts – sind immer noch 13km zu absolvieren. Den Gedanken ans Aufgeben verschwende ich aber nicht – den hatte ich ja 20km vorher als das Bein zu schmerzen begann, doch nicht jetzt. Jetzt heißt es kämpfen.
Und ein Kampf wird es. Ich merke zwar wie ganze Scharen von LäuferInnen an mir vorbeiziehen und ich regelrecht durchgereicht werde, egal ist es mir zwar nicht aber ich kann auch nix daran ändern. Ich wechsle nun ab – entweder gehen oder langsamer Trab. Mehr ist nicht mehr drinnen. Auftrieb geben die Zuseher am Streckenrand, die einen trotz oder gerade wegen der Probleme auch mit Vornamen (der steht ja auf der Startnummer) anfeuern.
Nach 32km dann noch der Abstecher mit der Extra-Schleife bei meinem Hotel vorbei. (Keine Angst, den muss jede(r) machen 😉 ) – wie erwartet wird das noch mal zach, wenn man die Läufer auf der Gegengeraden sieht, die schon bei km36 sind… Ok also wieder mal ein Stückchen gehen – und mein letztes Gel einwerfen. Immerhin habe ich keine Magenprobleme wie bei den Halbmarathons. Dafür habe ich nur mehr 2 Schmerzen – einen rechts und einen links und mit denen muss ich mich fortbewegen.
Generell hantle ich mich nur mehr von einer Labe zur nächsten und nütze die Möglichkeit mal kurz stehen bleiben zu können bevor es wieder weitergeht.
Es zieht sich gewaltig – jeder km kommt mir vor wie eine ganze Trainingseinheit. Bei km37 kommt dann nochmal Wut auf und ich peitsche mich mit Flüchen und zusammengebissenen Zähnen wie ein tourett-geplagter Maniac voran. Geht zwar einen halben Kilometer gut (ohne Gehen) – aber dann bricht wieder mein System zusammen – wieder gehen. Es hilft alles nichts. Doch der Start und somit auch das 2km weiter entfernte Ziel ist nicht mehr weit. Die Leute am Rand nehme ich nur mehr schleierhaft wahr, nichts dringt mehr ein in den Kopf – hier tobt nur mehr der Kampf gegen mich selbst. Am liebsten würde ich mich einfach auf den Boden legen und ausruhen. Doch um welchen Preis? Dafür habe ich nicht so lange und hart trainiert und bin monatelang früh aufgestanden.
Da, ich bin wieder am Start – die 40km sind also gemeistert. Ich zwinge mich wieder zu laufen. Noch einmal eine Spur langsamer als bisher, aber hauptsache ich laufe. Und sage mir ich bleibe erst wieder stehen wenn ich im Ziel bin. Und wirklich – es geht (läuft). Aber es ist hart, verdammt hart, unpackbar hart. Der letzte kleine Anstieg vor dem Olympiastadion und dann fällt alles ab. Schon bei der Kurve ins Olympiastadion fange ich an zu beschleunigen. Mit einem Luftsprung durchs Marathontor bin ich drinnen und kann es nicht glauben – nur mehr die Runde und dann ist es vorbei!
Diese Runde wird ein regelrechter Sprint, ich fühle mich plötzlich wieder frisch und fliege dem Ziel entgegen wobei ich noch den/die ein oder anderen LäuferIn überhole. Der pure Genuss. 🙂
Und dann ist es da – ZIEL. Aus. Vorbei. Ich gehöre nun auch dazu. Ich bin ein Marathonläufer.
Ein unbeschreibliches Gefühl breitet sich aus. Vergessen sind die Schmerzen, die Missgeschicke und dass die angepeilte Zeit in 4:27:37 sowas von verpasst wurde (Analyse gibs hier). Hauptsache ich habe es geschafft. Ich bin so glücklich dass ich mich zusammenreissen muss nicht laut loszuheulen. So fühlt es sich also an die eigenen Grenzen erkannt – und überwunden zu haben.
Als ich das Training vor einem Jahr ernsthaft aufnahm hatte ich genau auf das gehofft – und die zu erwartenden Schmerzen wohlweislich ausgeklammert. Dass es trotzdem so grenzgenial sein wird hatte ich nicht gedacht.
Ich bin nur mehr happy.
Und ich weiß bereits jetzt – dieses Gefühl möchte ich wieder haben! Vienna 2014, here I come!
P.S.: die Ziellabe war ein bisschen verwirrend, denn auf der einen Seite waren nur Wasser und Bier und ich dachte schon verzweifelt dass es nichts zum Essen gibt. Zum Glück fand ich das dann auf der anderen Seite vom Zielbereich – Äpfel, Bananen, Brezn, Vanillemilch und Molke. Diese Stärkung war auch nötig, schließlich stand noch die „Stiege des Grauens“ (© GUracell) aus dem Stadion heraus an – doch Endorphin-gestärkt ging die erstaunlich leicht…
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